Warum der Untertitel Nacherzählung? Hier ist Nacherzählung ein Begriff, den ich äquivalent denke zur Halluzination, die wir von den LLMs und Transformers kennen. Dies bestimmt mein Denken zur Zeit, da das Vorgehen der Programmierer und der Modelle Ähnlichkeit hat mit dem Vorgehen des Schriftstellers und des Hirnes überhaupt. Das LLM entspricht hierbei allem, was ein Hirn weiß, die Daten, Erinnerungen, Momente, Bilder, Wörter, die sich im Kopf befinden und willkürlich oder unwillkürlich abrufbar sind für den Menschen, und Halluzinieren heißt, zu einem vorgegebenen Thema nach «Sem»en, d.h. Zeichen, nach Tokens zu suchen und diese lose anzuordnen, ein Wort nach dem anderen, und hierbei zunächst einmal nicht abzugleichen mit anderen Datenräumen, mit der Realität, ob statistisch gesehen Kohärenz herrscht, also ob auch andere Menschen so denken würden. Würde ich angesprochen zum Leben Jesu und halluzinieren, dann käme so etwas wie diese Nacherzählung, die Nacherzählung dessen, was in meinem Hirn ist, heraus. Ihr Zugang ist also nicht Religionskritik oder Religionsrevisionismus. Nein. Im Gegenteil, das ist ja fast schon Fanliteratur. Ausleuchtung von Nebenrollen, fiktive alternative Enden. Eine Nacherzählug dessen, was ich weiß und woran ich zwar nicht glaube, dass es so geschehen ist, aber woran ich glauben könnte, dass es so passiert sein möchte. So war es ja auch in den ersten Jahrzehnten nach Jesu Tod, wo sich viele Menschen ausgetauscht haben und wovon nicht alles übriggeblieben ist. Sie können aber nachvollziehen, dass zB ein gewisses Fehlverhalten des Jesus Christus bei gläubigen Christen auf Ablehnung stoßen wird. Ja, muss so sein. Meine Intention war ja einfach nur, ein schönes Werk zu machen und auch, offen zu legen, wie es dazu kam, was der Prompt war. Und das war tatsächlich das Spätwerk Quentin Tarantinos, seine geschichtsverfälschenden Filme, mit denen er weltweit seine Anhänger erbaut hat. Im Werk Jene hab ich das angedeutet, eine Idee gebe es, wo Jesus so und so handle, und dass Tarantino doch bitte die Arbeit an seinem zehnten und vorerst letzten Film abbrechen und stattdessen meine Idee verfilmen möge. Als ich mich an mein nächstes Werk machte, bin ich steckengeblieben und da ist mir das in den Sinn gekommen und dann hab ich mich einfach dem gewidmet. Dieser Prompt war sehr direkt, ich hatte ein exaktes Bild von der Kreuzigungsstätte Golgota, und das erinnert ja wieder an eine KI, die vielleicht solche Bilder ausspuckt, wenn man sie danach fragt. Ich hab das aber bis jetzt nicht gemacht, ich wollte sie nicht hinweisen. Wer und wann wer den Input gibt, ist heute von großer Bedeutung. Der Künstler muss seine Geheimrezepte geheim halten. Dieses Bild war jedenfalls ausschlaggebend und es zustandekommen zu lassen war Ausgangslage des Schreibens, nämlich was führt zu dem Bild und was geschieht danach. Die Sprache ist dabei angelehnt an die Sprache der Bibelautoren. Ähm, das ist einerseits für einen Autor wahrscheinlich das einfachste, was es gibt, in diesen Modus zu verfallen, und andererseits das Schwierigste, weil man ja im Hirn den Sound hört und eigentlich nur den in einy selby nachhallenden Sound der Kirche über das Werk drüberzulegen. Und dann sagt ein wohlwollender Leser, das klappt bei mir überhaupt nicht. Ich versuche da aber nicht eine Qualitätsprüfung aufzusetzen und zu fragen ob das als «Bibelsprache» durchgeht oder nicht, deswegen hab ich das Motto «N’overthink» vorangestellt. Grübel nicht zu viel, sondern schreib, und wenn es Schund ist, kränk dich nicht. Aber dass es notwendig war, in diesem Ton anzustimmen, denke ich schon. Denn die Authentizität der Evangelisten ist ziemlich unbestritten. Was für mich auch Ansporn war: die Hauptautoren der Bibel irgendwie zusammenzuführen und eine neue kohärente Story, eine Fusion hervorzubringen, die Elemente von allen hat, von der Kürze des Markus bis zum schwurbelnden Antisemitismus des Johannes. Spannend, ob jemand einzelne Elemente herausfinden kann. Oder ob ein brauchbares Amalgam herausgekommen ist. Vielleicht greift die Kirche mein Werk sogar auf! Ich wäre kein Schriftsteller, wenn nicht irgendwo in mir ein Hoffnungsflackern wäre, dass dieser Text irgendwann die neue Bibel werden könnte. Zuletzt sei angesprochen, dass Sie ein Wort neu einführen. Sie benutzen das Wort «hier» als Verb. Da heißt es ich werde hieren, er hierte nicht mehr u.s.w. Ja da was so eine Spielerei. Dass ich sie nicht gestrichen, sondern sachte ausgebaut habe, verdanke ich auch meinen Überlegungen zur KI und der Rolle des Schriftstellers in dieser Zeit der Hochtechnologie und ihrer Vermessung des Sprachraumes. Neben den bildnerischen Künstlern ist denke ich sehr wohl auch auch die Schreibzunft betroffen vom unkontrollierten Speichern originaler Texte in den großen Datenräumen. Aber mir fällt als optimistischer Beitrag eben ein dass der Schrifsteller neue Wörter hineinbringt in diese Datenräume, denn darin hat er der KI etwas voraus. Nicht vom Können (ich zumindest nicht). Die KI könnte ja sehr wohl neue Wörter machen, sie tut es ja auch. Als Chat GPT vor ca. einem halben Jahr einen Bug hatte und nur Unsinn produzierte, waren die Ergebnisse ja eigentlich wunderbar zu lesen. Nur fehlt es den Chatbots an sozialer Vermittlungsfähigkeit und an Befugnis zu Neuem, es ist unerwünscht. Das hat nicht einmal viel mit Alignment zu tun. Der Schriftsteller kann diese Situation zumindest für einige Zeit ausnutzen. Seine Rolle sollte er aber äquivalent zu den Softwarefirmen ausüben, die Updates bringen. Der Schriftsteller bringt Texte und bekannte Stoffe neu heraus, mit tatsächlich neuen Wörtern. Das muss behutsam gemacht werden, in vorhersehbaren Releasezyklen. Also nicht wie zB bei Finnegans Wake, «eat this»-like. Einfach von Menschen verarbeitbare Neuerungen. Ja, da gibt es bei mir eine Neuerung und ich kann mir vorstellen dass jeder Schriftsteller das in jedem Werk macht, eben neue Wörter einführt und sie aus dem Verwendungskontext heraus verständlich zu machen, nicht indem er erklärt und oder präambliert. Das ist sozusagen die Marktlücke. Und ja, das Wort von mir, diese Mal, ist halt «hieren». Aber ich hab das eigentlich aus dem Chinesischen aufgegriffen. Erstens hat meine Frau, als sie mit mir von China nach Europa zog und deutsch lerne, immer wieder Verben produziert. «Gernst du ...» zB hat sie meine Mutter gebracht. Zweiter Impetus dieser Wortnutzung war meine Liebe der Band No Party for Cao Dong. In ihrem Lied Zài, heißt es nunmal «Wo hui yizhi dou zai». Wenn man es direkt und in der knappen chinesischen Form übersetzen will, so wie zB manche Übersetzer eines Lorenzo Da Ponte Librettos die Laute der Vokale übersetzten, muss man eben sagen «ich werde immer hieren». Das geisterte schon lange bei mir herum. Und diesen Satz könnte ein Jesus oder eben ein Colo genau so gesagt haben! Haben Sie vielleicht trotz Ihres dezidiert literarischen Zugangs eine Art zeitkritischen Kommentar zur Kirche? Naja, gehe ich in eine Kirche, erstaunt mich grad mehr, wie sehr auf der Höhe der Zeit die eigentlich ist, immer noch oder schon wieder oder eh immer, die Gegenreformation wirkt immer noch Wunder sozusagen. Die Kirche hält sich, und dazu ist sie ja da. Über den Spalt zwischen dem «einfach Dasein», rabbimäßig Ratgeben, der «Seelsorge», und der ziemlich unhaltbaren Doktrin wird äußerst gekonnt gestepdanced oder gebreakdanct oder was immer. Für einen Wachstumsboost oder Rückintegration der Ausgetretenen wirds nicht reichen. Mich als Pfarrer werden sie auch nicht gewinnen wenn sie noch immer keine spießigen Heterofamilien goutieren. Ewig schade!